Von Kiel nach Mallorca 3 mit der AIDAbella, Dover 07.10.19
Was tun, wenn die Sternstunde ohne uns stattfindet und Leeds Castle gestrichen wird?: So wie der geneigte Leser es von uns kennt, rennen wir dann halt über schmale randlose Landstraßen und durch dichte Wälder. Und kommen irgendwie doch an, in diesem Fall oben auf den White Cliffs mit spektakulärem Ausblick. Der Rückweg zeigt dann, wie es auch einfach geht.
Von Kiel um Westeuropa nach Malle
AIDAbella 2019
Heute Morgen möchte ich einmal das Einlaufen in den Hafen filmen, wie wir so langsam auf die Kreidefelsen zufahren. Als ich die Kamera an die Balkontür angeschraubt habe und zum Laufen bekommen habe, stelle ich dann doch fest, dass wir uns nicht mehr so richtig bewegen, weil wir auf der anderen Schiffsseite bereits am Pier festgemacht haben. Das wird ein ziemlich langweiliger Film.
Aber so stelle ich fest, dass wir anders liegen als sonst. An unserem bisherigen Platz liegen bereits zwei andere Kreuzfahrer, die Pacific Princess und Spirit of Discovery. Wir liegen ein Stück weiter zur Mitte des Hafens hin, in einem Bereich, der bei unseren letzten Besuchen noch ausgebaut wurde. Hier ist im Gegensatz zu sonst das Verlassen des Hafens zu Fuß untersagt, es gibt kostenfreie Shuttle.
Leider wurde Leeds Castle gestrichen
Mal sehen, wie das wird und was wir so machen. Eigentlich hatte ich mir gewünscht, heute mal Leeds Castle anzuschauen. Meistens haben wir in Dover nichts unternommen. Anfangs haben wir noch Dover Castle besichtigt, das geht heute nicht mehr auf eigene Faust. Dann sind wir zumeist an Bord geblieben, meist war das echtem oder faulheitsbedingt erfundenem Regen geschuldet. London ist für uns immer keine Option, denn die Fahrtzeit im Bus beträgt mindestens 2,5 Stunden pro Stecke (nach vielen Reiseberichten wegen Staus deutlich mehr) für dann nur wenig Zeit in London. Das steht für uns in keiner Relation. Schon gar nicht heute, denn es sind in London umfangreiche Klimaproteste angekündigt.
Jedenfalls hat Leeds Castle nicht geklappt, denn als wir es buchen wollten, war der Ausflug verschwunden. Nachfrage an Bord ergibt, dass es vermutlich mangelndes Interesse war. Jedenfalls nicht bei uns.
Stattdessen hätten wir uns zur Sternstunde anmelden können. Diese geht durch die Gärten Südenglands und endet in einem kulinarischen Highlight. Dieses Angebot für die höheren Clubstufen haben wir schon manchmal wahrgenommen und tolle Stunden verbracht, besonders gern denken wir an die Bootsfahrt in St. Petersburg zurück. Heute allerdings beginnt uns der Ausflug zu früh, wir lassen es gerne gemütlicher angehen, und wir haben ja nun auch die Kinder dabei, die manchmal schon mitdurften, für die es heute aber zu voll ist.
Erst einmal – natürlich – die Behörden
Also planen wir etwas, das die beste Ehefrau von allen recherchiert hat, nämlich einen Spaziergang über die Klippen. Mal sehen, ob wir noch Regen erfinden oder das wirklich machen. Gerade jetzt, während ich das schreibe, wird über Lautsprecher durchgesagt, dass die Shuttle-Busse überlastet sind, weil sehr viele Gäste gerade rauswollen und aufgrund der Kälte wird gebeten, lieber im Schiff zu warten…
Los geht es aber natürlich ganz anders: Der geneigte Leser hat es sicher schon vermisst: weiterhin verlangen die Engländer einen Identitätsabgleich. Dieser ist heute aber derart gut organisiert, dass er nur wenige Augenblicke dauert: Wir werden durch das Casino in die AIDA Bar geleitet (ach, jetzt dürfen die Kinder doch durchs Casino, sonst stehen da Schilder, dass jeder unter 18 abgefangen wird). Dort Bordkarte einlesen, dann einem Beamten den Personalausweis zeigen. Dieser prüft den Ausweis sehr genau, dann gibt es noch einen Edding-Strich auf die Bordkarte und das war’s schon.
Diese Prozedur schaffen wir vor dem Frühstück. Dort ist es heute nicht so voll und ab 9 Uhr sind wir ganz alleine, weil alle anderen zum Ausflug der Sternstunde rasen. Das ist mal etwas, ganz allein im Rossini, 4 Kellner, die sich nur um uns kümmern und ein Restaurantleiter, mit dem wir uns dann noch eine halbe Stunde nett unterhalten.
Gemeinsam lachen wir dann über die heutige „Hafeninfo“ über Dover. Das Titelbild stimmt, die Karte auch, aber im Erläuterungstext finden wir dann alle möglichen Infos über schwedisches Essen und die Sehenswürdigkeiten von Göteborg. Dafür zuständig ist die gleiche Mitarbeiterin, die auch schon den Oslo-Text in Göteborg gestaltet hat. Wir sind uns einig darüber, dass diese Mitarbeiterin nun vermutlich den liebevollen Neckereien der Kollegen ausgesetzt sein dürfte. Oder ein ernstes Gespräch mit ihrem Chef führen muss. Oder irgendwas dazwischen.
Der Shuttle-Bus – kurz raus und schnell wieder rein
Nach ein bisschen Verdauen machen wir uns um kurz vor 13 Uhr auf den Weg. Unmittelbar danach kommt ein Shuttle-Bus, in den aber nur wir und die Gast-Band einsteigen. Diese blauen Doppeldecker kennen wir noch von unserem ersten Besuch: Damals konnte man mit 5 € wahlweise in die Stadt oder zum Castle oder auch beides fahren.
Nun geht es also in die Stadt. Dort an einer zentralen Bushaltestelle gegenüber von KFC werden wir rausgelassen. Es stehen schon jede Menge AIDA-Gäste dort, die wieder zum Schiff wollen, aber denen sagt der Busfahrer, dass er jetzt weiter zum Castle fährt. Schwupp, steigen wir schneller wieder ein, als er gucken kann. Denn das war vorher nicht so angekündigt, es hieß immer, der Shuttle geht in die Stadt. Kann auch sein, dass der Busfahrer seine weitere Fahrtroute eben mal entschieden hat, denn auf der Rückfahrt erleben wir das auch so, dass ein Bus eigentlich zum Castle weiterfahren will, aber nach Protesten der vielen dort wartenden Gäste zum Hafen fährt.
Jedenfalls ist das alles die gleiche Route wie vor Jahren, nur jetzt kostenfrei. Gut.
Und wir sind unserem Ziel viel näher, denn sonst wären wir von der Stadt aus zu Fuß am Castle vorbei zum White Cliff Visitor Center gegangen. Jetzt also nur noch vom Castle zu den Klippen.
Aber manchmal ist viel näher dran eben auch viel weiter weg. Letztlich wären wir den weiten Weg aus der Stadt viel schneller gewesen als die Aktion, die wir jetzt machen. Nur dass wir die ganze Zeit bergauf gemusst hätten, das hat uns nun der Bus abgenommen.
Der weite Fußweg über Land
Wir folgen der Beschilderung zu den Klippen um das Castle herum. Eigentlich eine Beschilderung für Autofahrer, aber mangels alternativ ausgeschilderter Fußwege muss das wohl so sein. Auch Google Maps hat keine bessere Idee, will uns sogar noch einen weiteren Weg herum führen.
Wir ignorieren die Botschaft, dass es die nächste ¾ Meile keinen Fußweg gibt und wandern an einer englischen Landstraße entlang. Zum Glück ist diese nicht zu stark befahren, denn die Straße hat nur einen sehr schmalen, manchmal matschigen Seitenstreifen. Nach gefühlter Ewigkeit und nach einer Brücke über eine Schnellstraße kommen wir an eine Treppe nach unten, an der die White Cliffs ausgeschildert sind. Prima, endlich weg von der Straße. Nach kurzer Zeit teilt sich dieser Weg weiter nach unten oder wieder nach oben. Hilfreicher Weise zeigen gelbe Pfeile in alle möglichen Richtungen und bedeuten, dass hier der Wanderweg weitergeht. Nur leider nicht, in welche Richtung was ist. Google Maps weiß das auch nicht, was kein Wunder ist, denn dieser offizielle Weg ist lediglich ein schmaler Trampelpfad.
So bleibt uns nur die Intuition und der messerscharfe Verstand, mit dem wir schließen, dass der Weg zu hohen Klippen schwerlich immer weiter nach unten führen kann. Also gehen wir wieder nach oben, kommen wieder an eine Landstraße, die wieder keinen Seitenstreifen hat, spüren aber, dass dies der richtige Weg sein muss, denn jenseits eines tiefen Bergeinschnitts sehen wir nun das Castle, das wir somit erfolgreich umrundet haben.
Und richtig kommen wir nach kurzer Zeit nun auch auf den großen Parkplatz des White Cliff Visitor Center. So haben wir jetzt englische Landstraße, englischen Wald und nette Trampelpfade kennengelernt, die wir nie kennengelernt hätten, wenn wir nicht so einen völlig irren Weg zurückgelegt hätten.
Auf den Klippen über Dover
Dementsprechend setzen wir uns nun erst einmal hin auf bequeme Holzbänke. Gute Toiletten gibt es am Center auch und eine Tafel, die über die möglichen Wege an den Klippen entlang informiert. Definitiv kommen die 50 Minuten zu dem bekannten Leuchtturm mit Tearoom nun zeitlich nicht mehr in Frage. Also die kürzeren 20 Minuten zu einem schönen Aussichtspunkt.
Der Weg entlang einer Wiesenlandschaft mit niedrigen Sträuchern ist anfangs gut ausgebaut. Später gibt es Treppen nach unten und oben, auf denen die Erde aber sehr nass durchweicht ist. Deshalb haben sich überall entlang Besucher schon Alternativrouten gesucht.
Manchmal geht es durch Zäune, die durch einen raffinierten Türmechanismus erreichen, dass frei grasende Pferde dort nicht hindurchkommen. Manchmal ist Splitt aufgeschüttet, manchmal gehen wir auf dem nackten Kreidefelsen.
Zunächst gehen wir ganz oben auf den Felsen, sehen aber auch schon unter uns Plattformen und einen schmaleren Weg entlangziehen. Der Blick geht anfangs auf den Hafen und dann auf vorstehende Kreidefelsen, Täler dazwischen und dann das weite Meer. In der Ferne ist Frankreich zu sehen.
Das sieht alles total schön aus und wir genießen den Weg und den Ausblick. Insgesamt sind diese Kreidefelsen mit Rügen vergleichbar, nur dass es hier größer und weiter ist. Dafür sind die Felsen auf Rügen bewaldet und die Wege besser in Schuss.
Auch hier verlassen uns wieder die Wegweiser, aber wir finden einen richtig tollen Ausblick, an den wir uns eine Weile setzen und dann eine Etage tiefer am Kreidefelshang entlang zurückgehen. Auch dies ist ein offizieller Weg, er führt aber manchmal sehr schmal am Rand entlang, und auch wenn wir eine Etage tiefer sind, sind wir immer noch sehr hoch über dem Meer.
Das letzte Stück geht dann wieder nach oben und ist so schmal, dass meine natürliche Höhenskepsis sich mal kurz zu Wort meldet. Anders die Sänger und Tänzer des Schiffs, die auch gerade hier sind, die gehen ganz schön nah an die Kante heran, so dass ich befürchte (oder hoffe?), dass das Angebot der besten Ehefrau von allen von gestern, die Show zu übernehmen, doch noch angenommen werden könnte.
Zurück ist dann ganz einfach
Oben angekommen sind wir sogar schon am Visitor Center vorbeigegangen, hier ist nun aber der Weg in die Stadt gut ausgeschildert, und nun geht es wieder auf schmalen Wegen zuletzt unter der Schnellstraße hindurch in weniger als 30 Minuten bis zur Stadtmitte. Das hätten wir auch auf dem Hinweg haben können, der Weg aus der Stadt ist auch gut ausgeschildert, nur dass es dann eben unablässig nach oben geht. Aber wer hätte die Erfahrung von Wald, Matsch und engen Landstraßen schon missen wollen. Bisher kannten wir das nur aus den Filmen von Agatha Christie, wenn Poirot mit seinen Schühchen pikiert durch die Landschaft stolziert.
In der Stadt kommen wir erst durch eine kleine Nebenstraße mit sehr hübschen, typischen englischen Häusern mit alten Steinen und eigenen Namen. Auch „der letzte Pub der zivilisierten Welt“ ist hier. Dann sind wir schon im Stadtzentrum und finden mit ein bisschen Zick-Zack die Bushaltestelle.
Der erste Bus fährt nur zum Castle, der nächste bringt uns in 10 Minuten wieder zum Schiff. Dort ist es heute zu spät für einen Milchshake, weil schon das Abendessen droht. Aber auch das besiegen wir mühelos und dann haben wir Zeit genug für ein paar Spiele, denn „Wer wird Millionär“ im Theatrium interessiert uns nicht. Erst spielen wir in der AIDA Bar, die Lounge ist zum großen Teil wegen einer Hochzeit gesperrt. Im Anschluss wechseln wir aber dorthin, denn die Tische sind dort größer.
Beim Spielen in der AIDA Bar können wir oft den verschiedenen Tanzkursen zuschauen. Heute ist die Besonderheit, dass nicht der Tanzlehrer kommt, sondern eine junge Frau vom Entertainment-Team, die nach eigenem Bekunden keine Ahnung vom Tanzen hat, aber schon einmal die richtige Musik anstellt. Denn der Tanzlehrer ist zusammen mit einem ganzen Bus voller Crew wider Erwarten noch nicht zurück an Bord. Grund ist, dass der Bus aus London einfach auf offener Strecke stehen geblieben ist, und sie eine Stunde auf einen Ersatzbus warten mussten. Aber mit viertelstündiger Verspätung kommt der Tanzlehrer dann doch vorbei und übernimmt die Anleitung.
Dadurch sind wir nun verspätet, und da wir einige Fähren vorlassen müssen, legen wir mit insgesamt gut einstündiger Verspätung ab. Das sollte aber kein Problem sein, die Entfernung nach Le Havre ist ja nicht so groß.
Inzwischen regnet es, es hängen Nebelschwaden an den Klippen. Was haben wir den Tag über für Glück gehabt mit zwar bewölkten Himmel, manchmal etwas Sonnenschein, aber trocken bei 15°C.
Die nächste Etappe sind 259 Kilometer bis nach Le Havre.
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