Mittelmeer 13 mit der AIDAblu, Palermo / Sizilien 10.10.13
Es ist nicht das erste Mal, dass wir Palermo bei strömenden Regen erwandern und die Regenschirmverkäufer als Slapstick empfinden. In der Stadt begegnen wir Glanz und Verfall nebeneinander und neben wildem Verkehr.
Durch das westliche Mittelmeer
AIDAblu 2013
Nirgends in Europa habe ich bisher das Zusammentreffen von Elend und altem Glanz so deutlich gesehen wie in Palermo. Und das meine ich nicht nur auf das Wetter oder die Benzinpreise bezogen (1,70 € für Diesel…). Vielleicht kann der geneigte Leser sich an meinen Reisebericht vom letzten Jahr erinnern? Unser Erlebnis mit Dauerregen und Regenschirmverkäufern, die plötzlich aus dem Boden wachsen? Ich habe heute ein Déjà-Vu. Und nach all den Erlebnissen mit alten Bekannten der letzten Tage scheint das irgendwie das Thema dieser Reise zu sein. Aber der Reihe nach:
Beim Frühstück beginnt das Scannen der Gäste. Ich meine, ich scanne sie auf der Suche nach Jörn. Gestern hatte mich ja Kirsten angesprochen, und nun ist die Frage: Wie sieht ihr Mann Jörn heute aus, werde ich ihn erkennen?
Heute hat das kleine East-Restaurant als einziges länger geöffnet. Aber viele sind wohl schon in Palermo unterwegs, denn um 10 Uhr ist viel Platz im Restaurant.
Danach können wir erst einmal lesen. Die Kinder möchten gern in den Kids-Club (bloß nichts verpassen), und nachdem sie schnell einen Happen Mittag gegessen haben, können wir uns auf den Weg machen. Vielleicht hätten wir ihnen noch mal sagen müssen, dass sie zwar immer viel trinken sollen, aber nicht unmittelbar vor einem Ausflug. Aber dass das ein Problem sein könnte, wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Um 13 Uhr geht es von Bord. Diesmal liegen wir sehr günstig direkt am Hafenausgang. Das ist einer der Vorteile von Palermo: Dreimal lang hinschlagen und man ist aus dem Hafen direkt in der Altstadt. Das Wetter ist mit 24°C warm, bewölkt, durchaus angenehm. Wir machen uns auf den Weg zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten, wobei wir wieder einmal feststellen, dass die Karten, die AIDA in ihrer Hafeninformation druckt, nur etwas taugen, wenn man einen Stadtplan daneben hält. Den haben wir nicht, da wir aber vom letzten Jahr die Wege grob kennen, ist das kein Problem. Der einzige Kampf ist am Hafenausgang der Kampf gegen die Pferdekutscher, die uns garantiert günstig zu allen möglichen Zielen bringen wollen. Das Wort „Nein“ scheint es im italienischen nicht zu geben, denn wir haben einige Strecke so einen unaufhörlich redenden Kutschen-Werber neben uns.
Nach einer halben Stunde fallen 2-3 Tropfen. Das gibt es doch nicht! Soll es so kommen wie letztes Jahr? Und genau so kommt es: Aus den Tropfen wird ein Dauertropfen und dann ein Dauerregen. Super, innerhalb kürzester Zeit stehen wir im wahrsten Sinn des Wortes im Regen. Nun gibt es ja bekanntlich kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung und wir waren ja vorgewarnt vom letzten Jahr, wo wir aus Trotz den nervigen Regenschirmverkäufern keinen Schirm abkaufen wollten und mehr als einmal klitschnass geworden sind. Deshalb haben wir uns schon in Deutschland einen kleinen Taschenschirm gekauft, den wir problemlos während des Flugs im Koffer mitführen konnten. Schlau, oder? Apropos Koffer – das ist auch der Ort, wo der Schirm immer noch liegt…
An dieser Stelle werden wir diesmal weich. Der nächstnervige Regenschirmverkäufer ist unser und ich handel ihn von geforderten 5 € auf komplett überteuerte 3 € für einen schrottreifen Taschenschirm herunter. Aber der tut seinen Dienst – zumindest für die Frisuren der beiden Damen. Wir Männer brauchen sowas natürlich nicht. Naja, der Kleine hat seine St-Pauli-Schirmmütze und bei mir perlt eh alles ab…
Eine Ecke weiter kaufen Japaner einen solchen Schirm für 4,- €. Ätsch…
So stürmen wir durch Palermo und sind froh, um 15 Uhr wieder an Bord zu sein im Trockenen. Überflüssig zu erwähnen, dass ab 16 Uhr die Sonne scheint…
Trotzdem muss ich sagen, dass uns das alles die Laune keineswegs verdirbt. Besonders diese Erlebnisse mit den Regenschirmverkäufern kommen uns eher wie Slapstick vor und wir müssen herzlich lachen.
Tja, Palermo. Schon der Blick vom Hafen aus auf Wohnsilos ist keine Freude. In der Stadt selber breite Straßen im Wechsel mit unzähligen Gassen, in denen kleine Stände mit garantiert echt gefälschter Ware stehen und Wäsche von Balkon zu Balkon hängt.
Unzählige der alten Häuser nähern sich dem Verfallsdatum und auch die großen alten Gebäude haben einen Sanierungsstau, gegen den die 30 Kilometer neulich zwischen Hannover und Soltau nichts sind.
Immer wieder richtig schöne alte Brunnen, teilweise bis über den Rand mit Müll gefüllt.
Und doch gibt es auch den alten Glanz. Der liegt aber nicht an den oft verkommenen Fassaden, sondern dahinter. Wo die großen Tore geöffnet sind, kann man viele mächtige Eingangsportale und Gewölbe sehen. In mancher Gasse steht eine schöne alte kleine Kirche. Eine entdecken wir, in der auf einem kleinen Platz der Turm einer Kirche steht. Komplett auf beiden Seiten von Häusern eingebaut. Es ist nicht ersichtlich, wie man in diesen Turm oder die dazugehörige Kirche kommt, denn alle Eingänge rundum scheinen die Eingänge der umliegenden Häuser zu sein. Vermutlich liegt dann die eigentliche Kirche auf der anderen Seite der Häuser, aber wie dahinkommen? Von diesem Platz aus geht es nicht weiter. Das ist spannend, und wer Palermo entdecken will, sollte sich vielleicht gar nicht auf die bekannten Sehenswürdigkeiten stürzen, sondern auf die Gassen und Durchgänge.
Letztlich dringen wir an dem Teatro Massimo vorbei vor bis zur Piazza Pretoria mit der prächtigen Rathausfassade und einem riesigen Brunnen aus dem 16. Jahrhundert, der wegen der realistisch dargestellten Nacktheit einiger Figuren „Brunnen der Schande“ genannt wird. Bis zur Kathedrale kommen wir dann aber wegen des Regens nicht mehr.
Den eben beschriebenen Kirchturm sehen wir übrigens nur, weil an dieser Stelle das Drama unserer Kleinen beginnt: „Ich muss mal, ich war auch ganz ehrlich noch mal auf dem Schiff“. In Rom haben wir ja schon verzweifelt nach Toiletten gesucht und hier ist es nicht besser. An den Plätzen und Kirchen ist nichts zu finden. Und letztlich muss deshalb dieser kleine Platz herhalten, an dem die Autos so dicht geparkt sind, dass ein Kind sich wunderbar dahinter verstecken kann. Sorry, liebe Sizilianer!
Apropos Autos: Der Verkehr ist zu Recht legendär. Es wird gehupt, wo immer es geht und so ist alles sehr laut. Autos parken, wo immer ein kleines Plätzchen frei ist, und so ist es oft gar nicht so einfach, auf einen anderen Bürgersteig zu wechseln, weil kaum Platz zwischen den Autos ist. Nicht mal an Kreuzungen. Sofern man überhaupt über sie Straße kommt. Das geht nur mit: Kind fest an die Hand nehmen und beherzt auf die Straße treten. Die werden schon halten. Tun sie zum Glück auch. An Ampelzeichen halten sich eh nur die doofen Deutschen, wenn die Ampel überhaupt zu erkennen ist. Gelegentlich werden auch mal Busse direkt auf dem Überweg vor der Ampel geparkt, da kann man nur noch raten, wann die Fußgänger grün haben.
Nun sagt unsere Nachbarin (deren Vater aus Sizilien stammt) immer, dass der typische Sizilianer mit Händen und Füßen gleichzeitig redet. Und was soll ich sagen: Stimmt. Und nicht nur mit einem Gegenüber, sondern auch am Handy, wo der andere es nun wirklich nicht sehen kann. Faszinierend…
Was ich nicht dabei habe, ist ein Fotoapparat. Es wird hier so eindringlich vor Taschendieben gewarnt, Fotoapparat immer in der Tasche haben usw., dass ich nur das Handy mitnehme. Auch Ausweise sollen wir nur als Kopie mitnehmen. Witzig, ich hab meinen kleinen Taschenkopierer grad mal nicht dabei… Aber meine bessere Hälfte kommt auf die geniale Idee, für den Fall der Fälle ein Foto von den Pässen auf dem Handy zu speichern. Das wird sofort umgesetzt. Wir sind dann auch die einzigen, die sich an diese Ratschläge halten. Alle anderen haben große Rucksäcke und teure Kameras umgehängt – wir sind doch nicht zu ängstlich, oder? Naja, moderne Handys machen ja auch ganz gute Bilder…
Nach einem Kaffee in Bella Donna, natürlich nur Obst!, genießen wir den Nachmittag auf dem Balkon mit Lesen und Schreiben. Neben uns liegt neben großen Fähren noch die Crystal Serenity, die vom Augenschein in etwa so groß ist wie die AIDAblu. Als die bereits gegen 17 Uhr mit „What a wonderful world“ ablegt, sehen wir dahinter die von mir letztes Jahr beschriebenen Silos mit dem lauten Maschinengeräusch. Na, wie haben wir die heute auch vermisst…
Ach ja, neben Obst gab es doch eben noch ein gaaaannnnnzzzzzz kleines Stück trockenen Blechkuchen.
Ablegen tun wir 10 Minuten vor der angekündigten Zeit um 18 Uhr. Noch lange fahren wir lang an hohen Bergen mit einem schmalen Streifen Land davor, der mit Wohnsilos bebaut ist. Tatsächlich stammt der Name Palermo von dem griechischen Panormos = alles Hafen.
Nach dem Abendbrot schauen wir uns die Kunstauktion an. Die Galeristin Susanne Wegner macht das ausgesprochen charmant. Und so viele versteigerte Bilder haben wir noch auf keinem Schiff erlebt.
Der Abend dann haut uns um. Zunächst „Varieté Elements“, eine sehr kraftvolle Show mit 3 ukrainischen Artisten. So schnell und kraftvoll, so perfekt haben wir das noch nicht gesehen. Varieté zum Luft-Anhalten hoch in der Luft an Netz, Reifen, Bändern und am Boden. Nur wenn man sich so verbiegt – ich möchte nicht wissen, wie die Gelenke aussehen.
Im Anschluss präsentiert Dana Zich aus Soltau ihr Solo-Programm „Power at Sea“. Tatsächlich ist „power“ die beste Zusammenfassung ihres Programms. Sie hat das komplett gefüllte Theatrium längst, als sie wie eine Röhre über die Bühne tobt. Und wer sich an „One moment in time“ misst und dabei brilliert – alle Achtung!
Bisschen eng wird es, als eine ältere Dame meint, sie muss sich mit auf unsere 2er-Bank quetschen und sich gnadenlos ungefragt halb auf meinen Schoß gesetzt hätte, wenn wir uns nicht unter Luft-anhalten in eine Ecke gedrückt hätten. Nicht zuletzt deshalb sinken wir dann lieber erschöpft ins Bett und verfolgen die „Schlagersause“ nur noch im Fernsehen als Life-Übertragung. Gut gemacht, aber Schlager sind nicht ganz unser Stil. Aber irgendwie sieht es lustig auf, wie die 8 Tänzer mit ihren russischen Gesichtern in Haare und Klamotten der 60er geprügelt sind.
Die nächste Etappe sind 319 Kilometer bis Neapel.
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